225 Menschenrechtsverletzungen — Was in der Woche vom 21.- 27.01.2021 im historischen Palästina passiert ist
Tod unter Besatzung: Der palästinensische Schüler Atallah Rayyan (17) wurde vorgestern von israelischen Soldat*innen im besetzten Nablus getötet. An einer Straßenkreuzung in der Stadt, unweit der illegalen israelischen Siedlung Ariel, feuerten sie mehrere Kugeln auf den jungen Teenager ab & ließen ihn anschließend auf dem Gehweg verbluten (s.Video). Angeblich habe er einen Messerangriff verüben wollen. Verletzt wurde niemand. Die Armee verkündete auf Twitter, “einen Angreifer neutralisiert” zu haben. Dass das “neutralisierte” Opfer noch ein Kind ist, wurde nicht erwähnt. Eine der Soldat*innen ist eine von der isr. Armee rekrutierte Britin. [0]
[0] https://electronicintifada.net/blogs/tamara-nassar/british-recruit-involved-killing-palestinian-teen
Der 50-jährige Arbeiter Fo’ad Joudeh starb am Sonntag, nachdem isr. Besatzungstruppen eine Gruppe pal. Arbeiter nahe des Dorfes Far’oun im besetzten Westjordanland mit Tränengas angegriffen hatten. Er erlitt einen Herzinfarkt, nachdem er eine große Menge Tränengas eingeatmet hatte, das von Gasgranaten stammte, die von den Soldat*innen auf den Mann & die anderen Arbeiter geworfen wurden. Er verstarb noch am Ort des Geschehens.
Da die Besatzung jede wirtschaftliche Entwicklung unterbindet & somit einen Mangel an Arbeitsmöglichkeiten im Westjordanland verursacht, sind einige Palästinenser*innen gezwungen, in Israel nach Arbeit zu suchen, um ihren Lebensunterhalt zu sichern & ihren Familien ein angemessenes Leben zu ermöglichen. Die Einreise erfordert jedoch eine Einreisegenehmigung, die praktisch unmöglich zu erhalten ist. Infolgedessen versuchen Palästinenser*innen regelmäßig, die illegale Trennmauer ohne Genehmigung zu überqueren, was sie dem Risiko aussetzt, von israelischen Besatzungstruppen verhaftet oder angegriffen zu werden. Israelis, einschließlich Siedler, sind davon nicht betroffen, sie können ungehindert & ohne Genehmigungen zwischen Israel & dem Westjordanland reisen.
Gemäß einem Urteil des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag aus dem Jahr 2004 ist diese Mauer, oftmals auch Apartheidsmauer genannt, illegal, völkerrechtswidrig & muss abgerissen werden.
Westjordanland: Mind. 101 fiel die isr. Armee gewaltsam in Ortschaften des besetzten Westjordanlandes, einschließlich Jerusalem, ein. Dabei wurden 97 Zivilisten verhaftet, darunter 10 Kinder & 2 Frauen. Jede Form von Protest gewaltsam unterdrückt. An einigen Ortschaften konfrontierten am Freitag Jugendliche mit Steinen schwer bewaffenete Besatzungssoldaten.
Die israelische Besatzungspolizei hat sich diese Woche das Erscheinen von 3 pal. Arbeiter vor Gericht verhindert, um ihre Brutalität gegen sie zu verbergen. Ein großes Polizeiaufgebot griff eine Gruppe von pal. Arbeitern in der illegalen Siedlung Modiin nahe Jerusalem an & verrsachte dabei Knochenbrüche & weitere schwere körperliche Verletzungen. Ein Gericht untersucht nun den Vorfall, die Behörden verhinderten aber die Zeugenaussagen mit der Behauptung, diese hätten Corona — keiner der Arbeiter ist jedoch infiziert oder zeigt Symptome.
Gaza: In der vergangenen Woche feuerte die isr. Armee zweimal vom “Grenz”zaun aus auf Farmer, die sich um ihre Felder kümmerten. 3 Mal beschoss isr. Marine kleine Fischerboote vor Gazas Küste. Allein 2020 wurden Fischer etwa 320 Mal Opfer isr. Angriffe.
Am Erez-Übergang (der mit schwer erhältlichen isr. Genehmigungen zu passieren ist, um den Gazastreifens Richtung Westjordanland & Israel zu verlassen) wurde Walaa Mohammad Al Refa’i (35) verhaftet, während er seine Frau begleitete, die eine Hirnkrebs-Patientin ist. Nachdem seine schwerkranke Frau & 3fache Mutter über 5h auf ihren Mann warten musste & den Soldat*innen erklärte, dass sie wegen ihrer geplanten Hirn-OP in Jerusalem nicht alleine reisen kann, teilte ihr ein Soldat mit entweder allein zu reisen oder in den Gazastreifen zurückzukehren. Ihr Mann wurde in das Ashkelon-Gefängnis gebracht, seine Frau durfte jedoch von ihrer Mutter zur OP begleitet werden. Regelmäßig werden schwerkranken Patienten, die aufgrund der isr. Blockade in Gaza nicht behandelt werden können, Ausreisegenehmigungen zur Behandlung verweigert oder so lange verweigert, dass eine massive Belastung & Verschlechterung des Gesundheitszustandes eintritt. Das Begleiten der Kranken durch Familienangehörige wird regelmäßig erschwert oder untersagt.
Systematische Vertreibung: Diese Woche erfolgte die Entscheidung isr. Behörden, 600 Dunum Land von Deir Istiya, besetztes Salfit, zu beschlagnahmen. Auch rodete sie 10.300 Olivenbäume. Diese Bäume wurden vor 8 Jahren von Palästinenser*innen im Rahmen des Projekts “Grünes Palästina” gepflanzt. Die Zerstörung von pal. Wohneigentum & Infrastruktur hält weiter an: 5 Einrichtungen wurden in Jerusalem zerstört, ebenso ein Moschee-Fundament abgerissen und 14 Abrissbescheide in in Al Khalil (Hebron) zugestellt.
Gesundheit unter Besatzung: Der pal. Gesundheitsminister rief diese Woche die internationale Gemeinschaft dazu auf, zu intervenieren & die israelischen Besatzungsbehörden daran zu hindern, die einzige Gesundheitsklinik im besetzten Zanouta, südlich Al Khalil, abzureißen. Der Abriss wäre eine Katastrophe, besonders während der Corona-Pandemie.
Bisher impft Israel ausschließlich Israelis einschließlich illegaler Siedler, zu denen der Impfstoff in ihre Siedlungen gebracht wird. Für über 5 Mio Palästinenser*innen, die unter isr. Besatzung & Kontrolle zwischen den illegalen Siedlungen leben, gibt es hingegen keinen Impfstoff. Gegenüber BBC antwortete der isr. Gesundheitsminister Yuli Edelstein auf die Frage, warum Israel nicht sein Impfprogramm auf die besetzten Palästinenser*innen ausweitet damit, dass Israel ihnen gegenüber nicht mehr Verantwortung habe, als der pal. Gesundheitsminister “sich um Delfine im Mittelmeerkümmern muss.” [1] Das Völkerrecht verpflichtet eine Besatzungsmacht, die Gesundheitsversorgung & -erhaltung der von ihr besetzten Bevölkerung zu gewährleisten — auch in Zeiten von Pandemien. Israel plant derzeit 2.000 zusätzliche Krankenhausbetten für Jerusalem, aber keine für die pal. Stadtteile.
Siedler: Siedler beschlagnahmten diese Woche 800 Dunum pal. Landes in Bethlehem & bauten dort 2 Straßen für ihren Gebrauch. An mehreren Ortschaften attackierten Siedler pal. Fahrzeuge & bewarfen sie u.a. mit Steinen, dabei wurde ein 3jähriges Kind verletzt, als das Fahrzeug der Eltern nahe einer illegalen Siedlung vorbei fuhr (s. Video). Auch Familienhäuser wurden angegriffen & insgesamt über 200 Olivenbäume pal. Farmer zerstört.
Keine Bewegungsfreiheit auf eigenem Land: Die Besatzung errichtete 74 temporäre Militärcheckpoints im Westjordanland & verhaftete 5 palästinensische Zivilisten an diesen. Insgesamt gibt es 705 permanente Militärcheckpoints im Westjordanland. Israelis sind von diesen nicht betroffen, da sie andere Nummernschilder & teilweise eigene Straßen haben, auf denen es keine Checkpoints gibt & die Palästinenser*innen nicht benutzen dürfen.