Die deutsche Hilfs- und Menschenrechtsorganisation Medico International hat deutliche Worte bzgl. der aktuellen deutschen Außenpolitik gefunden:
„Die deutsche Politik und ihre offensichtliche ethische Inkohärenz, die selbst mit dem Wort Doppelstandards nicht mehr angemessen beschrieben werden kann, werden weltweit von Intellektuellen, Regierungen, der Zivilgesellschaft und antikolonialen Bewegungen aufmerksam registriert und scharf kritisiert. Der schon jetzt entstandene Schaden, der nicht nur auf geopolitischer und zwischenstaatlicher Ebene, sondern auch im Alltag von Stiftungen, Kultureinrichtungen und globalen zivilgesellschaftlichen Kooperationen erzeugt wird, ist dramatisch. Die Langzeitfolgen sind unabsehbar. Die westliche Unterstützung für den Krieg gegen eine seit bald zwei Jahrzehnten eingeschlossene Bevölkerung in Gaza, aber auch die autoritären, obrigkeitsstaatlichen Maßnahmen in Deutschland gegen palästinensische und zunehmend auch linke jüdische Stimmen, markieren einen Einschnitt, dessen historische Dimension schon jetzt nicht mehr bestritten werden kann.
Der jüngste Höhepunkt ist die skandalöse Haltung der Bundesregierung gegenüber dem Verfahren gegen Israel vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag […] Die deutsche Ankündigung, im Fall eines vollumfänglichen Verfahrens zugunsten Israels zu intervenieren, ist ein deutliches Signal an Südafrika, den Internationalen Gerichtshof und an die Welt: Das Völkerrecht liegt entweder in der Deutungshoheit des Westens – oder es darf kein Völkerrecht geben. Damit sind alle Sätze der Bundesregierung über eine werte- und rechtebasierte Außenpolitik nicht das Papier wert, auf dem sie geschrieben stehen. Das zunehmende Glaubwürdigkeits- und Legitimationsproblem eines von vielen als westlich und parteiisch empfundenen internationalen Rechts und seiner Institutionen wird weiter vertieft. So weist die Botschaft weit über den Gaza-Konflikt hinaus: Das Recht soll offenbar nur noch dann gelten, wenn es das Recht des Stärkeren absegnet. Und Deutschland stellt sich auf die Seite des Rechts des Stärkeren und verkleidet dies noch als einen Beitrag zu einem erinnerungspolitisch verkleideten „Nie wieder“. Dieser Widersinn macht die Einsamkeit Deutschlands und großer Teile des Westens in der heutigen multipolaren Welt aus.
Die Verbissenheit jedenfalls, mit der die deutsche Politik sich weigert, die an koloniale Geschichte erinnernden Anteile der israelischen Siedlungs- und Unterdrückungspolitik zur Kenntnis zu nehmen, hat unzweifelhaft auch mit der fehlenden Aufarbeitung eigener Verbrechen zu tun. Dabei müsste doch Deutschland im Stammbuch stehen haben: Ein Land, das zwei Völkermorde der modernen Geschichte verantwortet, hat mit äußerstem Ernst und Demut jeden seriös vorgetragenen Vorwurf einer genozidalen Absicht zur Kenntnis zu nehmen und zu prüfen.“
Das vollständige Statement Medicos findet ihr hier 👉🏼 https://www.medico.de/nie-wieder-fuer-alle-19348 (dort auf Deutsch & Englisch verfügbar)