UN fordert Untersuchung zu Kriegsverbrechen in Gaza, Deutschland stimmt dagegen — Weekly Summary, 27.05.2021

3 Palästinenser, darunter 1 Kind, wurden im Westjordanland durch isr. Soldat*innen getötet & 500 Palästinenser*innen sitzen willkürlich ohne Beweise, Anklage oder Gerichtsverfahren aktuell in Haft. Neben Sheikh Jarrah ist nun auch das Jerusalemer Viertel Baten Al Halwa von Zwangsräumung zugunsten illegaler Siedler bedroht, dagegen Protestierende wurden vor israelischem Gerichtsgebäude mit Gewehrkolben durch isr. Polizei zusammengeschlagen, in Sheikh Jarrah schießen sie Vater & Tochter an, letztere ist schwer verletzt. Amnesty International bezeichnet Vertreibung als Kriegsverbrechen & wirft Israel Anheizen von Gewalt vor. Die Zahl der Toten in Gaza ist auf 254 gestiegen, darunter 66 Kinder & 39 Frauen. UN fordert Untersuchung wegen Kriegsverbrechen durch Israel & Hamas, Deutschland stimmt dagegen. Obwohl eine Waffenruhe gilt, beschossen isr. Kanonenboote 3 Fischerboote vor Gaza. In Israel wurden knapp 300 Palästinenser*innen israelischer Staatsangehörigkeit wegen Teilnahme an Demonstrationen verhaftet. Das & mehr: Was in der Woche vom 20.-26.05.2021 im historischen Palästina passierte.

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Getötet: Am 20. Mai verkündete das Al Razi-Krankenhaus in Jenin den Tod des Palästinensers Montaser Jawabrah (28). Er erlag seinen Wunden, die er am 18. Mai 2021 während eines Protests in Jenin erlitten hatte. Israelische Besatzungssoldat*innen verletzten ihn schwer am Kopf, woraufhin er bis zu seinem Tod intensivmedizinisch behandelt werden musste.

Am Morgen des 25. Mai gegen 04:30 Uhr schlich sich eine israelische Spezialeinheit in die besetzte Stadt Al Bireh & näherte sich etwas später einem parkenden Auto, in welchem Ahmad Jamil Al Fahd (26) aus dem Flüchtlingslager Am’ari (Al Bireh) saß. 3 unmaskierte Mitglieder der Spezialeinheit in schwarzer Kleidung stiegen aus ihrem Fahrzeug & feuerten mit scharfer Munition auf das Auto; die Kugeln zerschlugen die Heckscheibe & beschädigten die Vordertür. Ahmad selbst wurde von Kugeln in die linke Schulter, die Brust & die unteren Gliedmaßen getroffen. Er versuchte, die Autotür zu öffnen, um auszusteigen, fiel aber auf den Boden. Die Mitglieder der Spezialeinheit umringten ihn, sahen in sein Gesicht & flohen dann. Anschließend eilten einige Palästinenser zu Hilfe & brachten Ahmad in den Palestine Medical Complex, wo nur noch sein Tod festgestellt werden konnte.

Der Palästinensische Teenager Zudi Taweel (17) wurde am 24. Mai von Soldat*innen im von illegitimer, ethnisch motivierter Zwangsräumung bedrohten Viertel Sheikh Jarrah (Jerusalem) erschossen. Nach Angaben der israelischen Polizei stach er auf einen israelischen Besatzungssoldaten & einen Siedler ein, ihre Verletzungen sind jeweils mittelschwer & schwer. Videoaufnahmen zeigen, wie Taweel wegrennt & dann von hinten erschossen wird.

Die IOF errichtete 58 temporäre militärische Kontrollpunkte im Westjordanland und verhaftete 10 palästinensische Zivilisten an diesen Kontrollpunkten.

 

Besatzungsgewalt: Mindestens 198 Mal fiel die isr. Besatzungsarmee gewaltsam in Ortschaften des Westjordanlandes, einschließlich Jerusalems, ein: Dabei wurden 167 pal. Zivilisten willkürlich verhaftet, darunter 11 Kinder. Viele Zivilisten wurden bei willkürlichen nächtlichen Razzien pal. Familienhäuser durch die isr. Armee verhaftet. Diese Razzien sind durch exzessive Gewaltanwendung, Verwüstung, Waffeneinsatz, Angriffe auf & Misshandlungen von Zivilisten durch die Soldat*innen gekennzeichnet. Es handelt sich um eine jahrzehntelange Praxis der Besatzung. Mindestens 47 Palästinenser*innen, darunter 3 Kinder wurden durch isr. Soldat*innen verwundet.

Heute wurde zu dem die pal. Journalistin Zaina Halawani verhaftet, während sie das gewaltsame Vorgehen isr. Besatzungskräfte in Sheikh Jarrah dokumentierte.

 

Zwangsvertreibung:

“Dies ist ein weiteres Beispiel für Israels kriminelle Politik der Zwangsvertreibung von Palästinenser*innen” — der stellvertretende Direktor von Amnesty International für den Nahen Osten & Nordafrika, Saleh Higazi zu den Ereignissen in Sheikh Jarrah & Baten Al Hawa.

Die Proteste in Sheikh Jarrah, einem Viertel in besetzten & annektierten Jerusalem, deren pal. Bewohner*innen von ethnisch motivierter, illegtimer Zwangsvertreibung bedroht sind, werden immer gewaltsamer von der Besatzung unterdrückt: Die 16-jährige Jana Kiswani wurde von einem der Polizisten in den Rücken geschossen, als sie den Hof ihrer Familie wieder betrat, nachdem die Polizei sie aufgefordert hatte, ins Haus zurückzukehren. Sekunden später, nachdem das Tor geschlossen war, feuerte die Polizei eine weitere Kugel ab, die ihren Vater Mohammed ins Bein traf, & warf außerdem eine Blendgranate durch die Gitterstäbe des Tores, die direkt neben den verletzten Vater & die Tochter fiel. Jana wurde in ein Krankenhaus gebracht, wo man feststellte, dass sie eine Wirbelsäulenfraktur & möglicherweise eine beschädigte Niere hatte. Ärzte sagen, dass sie eine langwierige Rehabilitation benötigen wird. Sowohl die Momente, in denen auf sie geschossen wurde, als auch der Moment, in dem der Polizist auf sie schoss, sind von Kameras festgehalten:

https://www.youtube.com/watch?v=EE4H7o11P3Y

Zeugenaussagen und Videos, die von der isr. Tageszeitung Haaretz gesammelt wurden, zeigen, dass die Polizeibeamt*innen angewiesen wurden, Gewalt anzuwenden, auch wenn es keine sichtbare Rechtfertigung gibt. Die Einheit für polizeiliches Fehlverhalten des isr. Justizministeriums eröffnete am Mittwoch eine Untersuchung gegen 5 an der Schießerei beteiligte Beamte. Ermittlungen dieser Einheit gegen israelische Polizist*innen enden in der Regel ohne Anschuldigungen. Diese Woche stellte dieselbe Einheit die Ermittlungen im Fall der Tötung des psychisch kranken Palästinensers Munir Antbawi (33) am 29.03.2021 durch einen Polizisten ein.

Nicht nur die Menschen in Sheikh Jarrah sind aktuell von Vertreibung bedroht: Es wurden Anordnungen der israelischen Besatzung erlassen, die Häuser der pal. Bewohner*innen von Baten Al Hawa zu räumen & sie zugunsten von Siedlungsverbänden zu beschlagnahmen. Am Mittwoch wurde eine Sitzung abgehalten, um Einsprüche von Bewohner*innen von Baten Al Hawa zu prüfen, die von der Zwangsräumung bedroht sind. Vor der Sitzung versammelten sich Dutzende Bewohner*innen des Viertels & andere solidarische Palästinenser*innen vor dem Gericht & hielten Transparente hoch, auf denen sie die internationale & lokale Gemeinschaft aufforderten, sofort zu intervenieren, um die Vertreibung von 70 Palästinenser*innen aus dem Viertel zu stoppen. Danach rückten Besatzungskräfte in das Gebiet ein, behinderten den Zugang zum Gerichtsgelände, unterdrückte die Demonstrant*innen & verprügelte sie. U.a. verhafteten & schlugen sie den erst 16-jährigen Sultan Sarhan mit Gewehrkolben.

Insgesamt 51 Familien mit 720 Personen aus dem Stadtteil Baten Al Hawa droht das gleiche Schicksal wie den Bewohner*innen des Stadtteils Sheikh Jarrah. Der Verein Atarit Cohenim für illegale Siedlungsaktivitäten versucht Land in Baten Al Hawa zu beschlagnahmen, mit der Behauptung, dass es sich um Eigentum für Juden aus dem Jemen handele. Im September 2015 verteilte die Atarit Cohenim Association Räumungsbefehle an Bewohner*innen von Baten Al Hawa, die gegen diese Einspruch erhoben. Viele Gerichtsbeschlüsse wurden von israelischen Bezirks- & Magistratsgerichten ausgestellt, die die Eigentumsansprüche der Atarit Cohenim Association unterstützen. Zwangsvertreibungen & Siedlungsaktivitäten sind in besetzten Gebieten gemäß Völkerrecht illegal & stelen ein Kriegsverbrechen dar. Amnesty International betonte diese Woche, dass eine solche Räumung “in eklatanter Weise gegen das Verbot des humanitären Völkerrechts verstößt, Menschen gewaltsam zu vertreiben & einem Kriegsverbrechen gleichkommt.” Amnesty wies auch darauf hin, dass die israelischen Besatzungsbehörden erneut Gewalt anheizen & dieselben systematischen Menschenrechtsverletzungen gegen Palästinenser*innen fortsetzen, die die Ursache der jüngsten Gewalteskalation sind.

 

Politische Gefangene: 2 Palästinenser befinden sich aktuell im Hungerstreik. Der Gefangene Alghadhanfar Abu Attwan (28, besetztes Al Khalil/Hebron) hungert seit 24 gegen seine seit Oktober 2020 andauernde Verwaltungshaft. Die israelische Besatzung reagierte darauf mit der Isolierung des Gefangenen. Er wurde in den letzten Jahren mehrfach verhaftet. 2019 führte er einen erfolgreichen Hungerstreik gegen die Administrativhaft durch. Diese bedeutet Willkürhaft ohne Nennung von Gründen & Beweisen & ohne Gerichtsverfahren oder Anklage. Sie wird ausschließlich gegen Palästinenser*innen im besetzten Westjordanland verhängt & ist beliebig oft verlängerbar. Ein Hungerstreik endet meist damit, das den beliebigen Verlängerungen eine Ende gesetzt & ein Termins zur Haftentlassung festgesetzt wird. Seit Anfang Mai hat Israel 155 Anordnungen zu administrativen Inhaftierungen erlassen. Die Anzahl aller aktuell in Administrativhaft befindlichen Gefangenen liegt bei 500.

Ein weiterer Gefangener, Khaled Makhamra (26, Al Khalil/ Hebron) tritt in seinen 14. Tag des Hungerstreiks gegen seine Isolationhaft & andere unmenschliche Haftmaßnahmen an. Er ist zu 4 mal lebenslänglich + 60 Jahren verurteilt.

 

Siedlergewalt: Am 24. Mai wurde der Palästinensische Junge Nadeem Mazloom (15) von einem Siedler in der Westbank angeschossen. Israelischen Medien verbreiteten widersprüchliche Nachrichten: Während einige sagten, er habe versucht, jemanden zu erstechen, behaupteten andere, die Armee habe ihn angeschossen, weil er Steine geworfen habe. Laut Augenzeugen hatte der Siedler aus einer benachbarten illegalen Siedlung aus nicht erkennbaren Gründen das Feuer auf ihn eröffnet. Der Junge wurde ins Krankenhaus gebracht & seitdem dort medizinisch versorgt. Des Weiteren griffen illegale Siedler Ländereien & Farmer im besetzten Al Khalil (Hebron) & Salfit an. Außerdem stürmten sie erneut mit Unterstützung isr. Soldat*innen die Al Aqsa-Moschee, letztere attackierten erneut anwesende Muslime.

 

Freiluftgefängnis Gaza: Der Gazastreifen leidet immer noch unter der Totalblockade der israelischen Besatzung. Die totale Abriegelung hält nun das 14. Jahr in Folge an, ohne jegliche Verbesserung des Personen- & Warenverkehrs, der humanitären Bedingungen & mit katastrophalen Auswirkungen auf alle Aspekte des Lebens. Die Menschen dürfen ohne israelische Genehmigung weder ein- noch ausreisen, es darf nicht exportiert werden, importiert werden darf nur wenig, die Resultate sind Massenarbeitslosigkeit, ein kollabiertes Gesundheitswesen & Lebensmittelknappheit.

 

Im Gazastreifen wurden am letzten Tag der israelischen Luftangriffe gegen den Gazastreifen vor dem Waffenstillstand am Freitag (21. Mai), 4 Palästinenser*innen getötet, darunter 1 Frau & 16 Leichen unter den Trümmern geborgen, darunter 2 Kinder. 78 weitere Personen wurden verletzt, darunter 17 Frauen & 38 Kinder, während 9 Häuser & weitere Einrichtungen ziviler Infrastruktur angegriffen wurden. 2 Tage nach dem Waffenstillstand erlag ein Palästinenser in Khan Younis seinen schweren Verwundungen, auch heute, am 27. Mai erlag ein weiterer seinen Verletzungen durch isr. Bombenagriffe. Damit ist die Zahl der Todesopfer der Aggression auf 254 gestiegen, darunter 66 Kinder & 39 Frauen, während sich die Zahl der Verletzten auf insgesamt 1461 beläuft, darunter 286 Frauen & 433 Kinder. Der Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen hat sich am Donnerstag darauf geeinigt, eine internationale Untersuchung der Verbrechen einzuleiten, die während des 11-tägigen Konflikts zwischen Israel & der islamistischen Gruppe Hamas in Gaza begangen wurden. Deutschland, Österreich & Großbritannien stellten sich dagegen.

 

Das palästinensische Ministerium in Gaza warnt vor einer Umweltkatastrophe im nördlichen Gazastreifen. Israel bombardierte ein Lagerhaus mit chemischen Produkten, die in der Landwirtschaft verwendet werden. Diese Stoffe gelangten durch die Zerstörung in das Wasser & in den Boden. Die lokalen Behörden verfügen nicht über die Möglichkeiten & Ressourcen, um die notwendigen Schritte zu unternehmen, um ein solches Problem zu bewältigen.
Israel öffnete teilweise die Grenzübergänge Beit Hanoun & Karm Abu Salem nach Gaza, jedoch nur für humanitäre Fälle & humanitäre Hilfe.

Mittlerweile haben israelische Kanonenboote der Marine ihre wöchentlichen Angriffe auf Fischer aufgenommen: 3 Mal eröffnete sie das Feuer auf Fischerboote vor der Küste Gazas. Aufgrund der wöchentliche Angriffe sowie des zu kleinen Küstenbereichs, den Israel für Gazas Fischer freigibt, ist die die Fischereiindustrie in den vergangenen Jahren um mehr als 50% eingebrochen.

 

Israel: In der Nacht zu Montag stürmten schwerbewaffnete israelische Polizist*innen die Wohnungen palästinensischer Familien in Israel & Jerusalem. Die auf 48 Stunden angelegte Operation galt nach Polizeiangaben der Festnahme von 500 Palästinenser*innen mit israelischer Staatsangehörigkeit, die in den letzten Wochen an “Ausschreitungen beteiligt gewesen sein sollen. Nahezu 300 Palästinenser*innen wurden letztlich verhaftet. Zahlreiche palästinensische Staatsbürger*innen Israels hatten in den letzten Wochen gegen ihre jahrzehntelange systematische & gesetzliche Diskriminierung protestiert sowie in Solidarität mit den unter Besatzung lebenden Palästinenser*innen im Westjordanland, besonders in Sheikh Jarrah, sowie denen in Gaza, die 11 Tage lang schweren israelischen Luftangriffen schutzlos ausgeliefert waren. Als Zeichen der Solidarität gab es ebenso einen Generalstreik in Israel & den besetzten palästinensischen Gebieten, um den gemeinsamen Schulterschluss öffentlich zu zeigen. In Lydda (Lod) eskalierte die Gewalt zeitweise — es kam zu gegenseitigen Übergriffen zwischen jüdischen Israelis & Palästinenser*innen.

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